Die Mainzer Straße war einst bekannt für ihre großbürgerlichen Villen und den chausseeartigen Charakter. Nach Krieg und Wiederaufbau verlor die wichtige Nord-Süd-Verbindung in vielen Bereichen ihre "Seele". Doch es gibt Ausnahmen. Das schönste Beispiel für die Baukunst an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ist das Haus Nummer 81. Hier schlägt das Herz des Kirchenkreises Koblenz. Im Rahmen der einjährigen Generalsanierung wurde der ursprüngliche Charakter des Gebäudes wiederhergestellt.
1,3 Millionen Euro hat die Sanierung des Baudenkmals gekostet. Trotz dieser hohen Summe ist Hans-Joachim Bergweiler hochzufrieden. Wurde der ursprüngliche Ansatz doch nur um 1 Prozent überschritten. "Und das, obwohl man bei historischen Gebäuden meist erst sieht, was los ist, wenn die Gerüste stehen", betont der Verwaltungschef des Kirchenkreises. Eine flexible Planung, bei der auch die Mitarbeiter Anregungen geben durften, machte es möglich.
Aus Sicht von Hans-Joachim Bergweiler hat es sich ausgezahlt, dass die Arbeiten bei laufendem Betrieb erfolgten. Das eröffnete Möglichkeiten, bei jeder Änderung der "Großwetterlage" sofort gegenzusteuern. Denn die unangenehmen Überraschungen, die sich im Laufe der Bauarbeiten ergaben, hatten immerhin eine Gesamtdimension von rund 265 000 Euro.
Der Koblenzer Architekt Hans-Joachim Becker machte aus der Not eine Tugend und strich einiges aus der Wunschliste. Dazu gehörte unter anderem die Erneuerung der Fenster. Diese sollten ursprünglich nach Originalbefund nachgebaut werden - jetzt sind sie aufgearbeitet. Außerdem wurde darauf verzichtet, die Jugendstilmalereien in der Eingangshalle freizulegen und zu restaurieren. Die Dokumentations- und Sicherungsarbeiten der Restauratorin Katrin Etringer müssen vorerst ausreichen. "Das ging beim besten Willen nicht anders", betont Hans-Joachim Bergeweiler. Das heißt: Dieser Schritt folgt, wenn wieder Geld da ist.
Keine Abstriche wurden dagegen bei der Gestaltung der Räume gemacht. Die auf die Restaurierung historischer Gebäude spezialisierten Handwerker arbeiteten die Großzügigkeit der Erbauungszeit heraus, beseitigten störende Einbauten der Nachkriegszeit und bauten sogar die originalen Schiebetüren wieder ein. Sogar das Parkett aus der Zeit um 1900 sowie die Stuckaturen konnten gerettet werden. Dies alles wird von einer raffinierten Lichttechnik inszeniert. Da Deckenleuchten zugunsten von Wandleuchten ersetzt wurden, lebt die einstige Atmosphäre wieder auf.
Fast unsichtbar ist die neue Haustechnik. Obwohl die Elektroleitungen komplett erneuert werden mussten, waren keine störenden Eingriffe nötig. Ganz im Gegenteil: Provisorische Leitungen, die über Putz montiert wurden, sind verschwunden.
Völlig neu planten die Ingenieure die Heiztechnik. Sie wurde kurzerhand vom hochwassergefährdeten Keller unters Dach verlegt und vollständig erneuert. In enger Zusammenarbeit mit den Behörden gelang es sogar, die strengen Auflagen des Brandschutzes zu erfüllen, ohne der Originalsubstanz zu schaden. Durch die Wiedereröffnung der Räume ergaben sich nämlich neue Fluchtwege - und die Feuerleiter an der Seite der Villa wurde gut "versteckt".
Im Rahmen der Sanierung wurde ein weiteres Ziel erreicht: das barrierefreie Treppenhaus. Im Außenbereich gibt es eine elektrische Hebevorrichtung für Rollstühle. Auch diese Vorgabe wurde erfüllt, ohne der Gebäudesubstanz zu schaden.
Reinhard Kallenbach