Koblenz - 35 neue Patienten werden seit diesem Jahr in der Infektiologischen Ambulanz am Kemperhof behandelt. Diagnose: HIV positiv. Gefährlicher Trend: Vor allem junge Menschen werden immer sorgloser um Umgang mit Aids.
Von unserer Redakteurin Doris Schneider
"Eigentlich dürfte es überhaupt keine neuen Patienten mehr geben", sagt Dr. Ansgar Rieke, Leiter der Ambulanz, fast ein bisschen ratlos. Denn jeder kann sich doch nahezu 100-prozentig vor der Infizierung schützen.
Doch die Tatsache, dass die Krankheit mittlerweile zumindest in den reichen Ländern wie Deutschland als gut behandelbar gilt, hat sie möglicherweise ihren Schrecken verlieren lassen: Jüngere Leute gehen wieder sorgloser damit um und schützen sich beim Sex nicht mehr so oft mit Kondomen. Das zeigt auch die gestiegene Zahl der jungen Patienten, die Rieke und sein Team behandeln und betreuen.
Noch immer steckt sich der größte Teil der Patienten bei Sex zwischen Männern an (im Medizinjargon MSM genannt). Aber auch die Zahl junger Frauen, die mit dem HI-Virus infiziert sind, steigt. "Und zwar quer durch alle Schichten", betont Rieke. "Das hat nichts mit guter oder schlechter Bildung zu tun."
Prävention ist für den Arzt deshalb noch immer das Hauptthema. "Dabei muss man vor allem an die Schulen appellieren, die jungen Leute wirklich aufzuklären", sagt er. Denn zwischen Eltern und Kindern gebe es oft eine Art natürliche Scheu, Themen wie Sexualität anzusprechen. Und bei den Jugendlichen steht oft nur die Verhütung von Schwangerschaft im Vordergrund, nicht aber die von sexuell übertragbaren Krankheiten. Denn HIV ist nur eine der Erkrankungen, die zumindest nicht zurückgehen sondern teilweise wieder zunehmen. Auch Krankheiten wie Syphilis oder Tripper sind wieder auf dem Vormarsch und gehen oft mit einer HIV-Infizierung einher.
Müsste also eigentlich jeder, der sexuell aktiv ist oder war einen HIV-Test machen? Ansgar Rieke winkt ab. "Aber jedem, der ungeschützt Sex mit einem Partner hatte, von dem er nicht genau weiß, ob er eventuell infiziert sein könnte, müsste man es eigentlich raten", sagt er dann. Das heißt im Klartext: Vielen. In den Gesundheitsämter in Rheinland-Pfalz kann sich jeder kostenlos und anonym testen lassen.
War Aids in den 80er-Jahren noch eine Krankheit, die oft zum Tod führte, können viele heute mit dem Virus verhältnismäßig gut leben. Mit sehr teuren Medikamenten kann der Virus bis unter die Nachweisbarkeitsgrenze gesenkt werden, sodass in vielen Fällen sogar zum Beispiel einem Kinderwunsch nichts im Weg steht - dem medizinischen Fortschritt sei Dank.
Wie wird HIV übertragen? HIV kann nur übertragen werden, wenn es in ausreichender Menge in den Körper oder auf Schleimhaut gelangt. Eine Ansteckung ist möglich über Blut (auch Menstruationsblut), Sperma, Scheidenflüssigkeit und Muttermilch, die das Virus in hoher Konzentration enthalten können, sowie über den intensiven Kontakt zischen den Schleimhäuten von Penis und Enddarm beziehungsweise zwischen Penis und Scheide. Bei Entzündungen (zum Beispiel durch andere sexuell übertragbare Infektionen und kleine Verletzungen der Schleimhaut, zu denen es beim Anal- und Vaginalverkehr häufig kommt) ist das Risiko für eine HIV-Übertragung erhöht.