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Die Koblenzer Tafel wird immer größer

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Vier Kühlfahrzeuge, rund 200 Mitarbeiter und vor allem Mitarbeiterinnen, Tonnen um Tonnen von Lebensmitteln, die fast an jedem Werktag hin und her bewegt werden, damit sie nicht in den Müllcontainern, sondern im besten Fall in den Mägen von Menschen landen, die sie sich sonst oft genug nicht leisten könnten: Die Koblenzer Tafel ist so etwas wie ein mittelständischer Betrieb geworden - wäre sie nicht ausschließlich ehrenamtlich organisiert.

Was nicht bedeutet, dass die Arbeit nicht hochprofessionell läuft, versichern Vorsitzender Bernd Neitzert und Koordinator Peter Bäsch. Eine Besonderheit hat die Koblenzer Einrichtung: Im Gegensatz zu wohl den allermeisten Tafeln werden die Lebensmittel hier bis auf wenige Ausnahmen nicht zwischengelagert, sondern morgens bei den Läden geholt und mittags ausgegeben. Das macht einerseits viel Arbeit, spart sie andererseits aber auch, weil die Waren nicht zweimal ein- und ausgepackt werden müssen. Und: Noch frischer können die Lebensmittel natürlich nicht zu den "Kunden" kommen.

"Wir achten sehr auf die Qualität", sagt Bernd Neitzert. Eine erste Kontrolle machen schon diejenigen, die die Waren beim Händler abholen. Ein zweites Mal werden die Lebensmittel in Augenschein genommen, wenn die Helferinnen sie auf den Tischen postieren. "Und jede der Ausgabestellen ist auch schon vom Gesundheitsamt kontrolliert worden", ergänzt Neitzert. Er findet das gut: "Da gibt es immer mal Optimierungsvorschläge oder kleine Fehler, die sich einschleichen. Wir können uns immer noch verbessern."

Begonnen hat alles vor knapp 14 Jahren, erinnert sich Neitzert. Damals war es nicht mal eine Handvoll Leute, die mit ihren Privatautos einzelne Händler anfuhr und die Lebensmittel direkt zu bedürftigen Familien brachte. Individuelle Anlieferungen gibt es im Übrigen auch immer noch: Etwa 30 Haushalte werden direkt versorgt, weil ihre Bewohner zu alt oder zu krank sind, um die Waren an den Ausgabestellen abzuholen. Und auch verschiedene Institutionen werden beliefert, so zum Beispiel das Obdachlosenrestaurant Mampf oder das Koblenzer Frauenhaus.

Werden doch ausnahmsweise mal nicht alle Lebensmittel ausgegeben, was nicht so oft vorkommt, dann können die Tafel-Leute die Waren bei den Schönstatt-Schwestern in Metternich lagern, wo sie Kühl-, Tiefkühl- und Trockenlagerräume haben. "Damit sparen wir natürlich enorm viel Geld", sagt Peter Bäsch. Dennoch braucht die Tafel jeden Monat 1300 Euro allein für die laufenden Kosten. "Und unsere ehrenamtlichen Helfer bekommen keinen Cent, für die Ausgabestellen in Gemeindehäusern müssen wir auch keinen Cent zahlen, und eine Abschreibung für die Autos ist da auch nicht reingerechnet", sagt Bernd Neitzert.

Die ganze Arbeit wird über Spenden finanziert. Vielleicht wäre es einfacher, wenn es mehr Mitglieder gäbe, die über einen Beitrag einen Grundstock finanzieren könnten, sagt Neitzert nachdenklich. Aber auf der anderen Seite will der Verein möglichst flexibel und klein bleiben. "In großen Vereinen sagt der eine Hüh und der andere Hott. Wir wollen uns möglichst überhaupt nicht mit uns selbst beschäftigen. Dafür haben wir viel zu viel zu tun."

Doris Schneider

Ein Nachmittag in der Ausgabestelle: Lebensmittel sind kostenlos, nicht umsonst

Noch sind die Türen geschlossen. Kurz vor 14 Uhr stehen aber schon eine Menge Leute vor dem evangelischen Gemeindehaus in Pfaffendorf. Die meisten haben eine kleine blaue Nummer in der Hand - alle 14 Tage wird hier neu ausgelost, wer wann rein darf. 80 Leute sind es im Schnitt, die hier Woche für Woche kostenlose Lebensmittel holen - "und es werden immer mehr", sagt eine der Helferinnen.

"Wir sind ein bisschen früh dran, da kann man ein bisschen quatschen", sagt eine 31-Jährige. Fotografieren lassen will sie sich aber auf keinen Fall. "Meine Tochter hat damit ein Riesenproblem, dass ich hierhin gehe." Und ihr ist es selbst auch ein bisschen unangenehm, vor allem, wenn es blöde Reaktionen von anderen gibt. "Letztens ist hier ein Auto vorbei gefahren und die haben rausgebrüllt: ,Geht doch arbeiten'", erzählt sie wütend. "Ich bin todkrank", sagt eine andere leise. "Ich kann nicht arbeiten."

Die Frauen und Männer, die an diesem Mittag in Pfaffendorf stehen, leben in der Regel von Hartz IV oder Grundsicherung. Sie haben einen Antrag auf Teilnahme an der Tafel gestellt, ihr Fall ist geprüft worden. Und nun dürfen sie der Reihe nach in den Raum gehen, in dem an allen Wänden und in der Mitte Tische mit Lebensmitteln stehen. "Wir machen das hier geführt", erklärt Apollonia Daum, eine der Mitarbeiterinnen. Sie hilft so oft sie kann, sagt sie. "Das ist doch sinnvoller als daheim rumzusitzen." Jede Ausgabestelle organisiert sich selbst. Und in Pfaffendorf begleitet eben eine der ehrenamtlichen Helferinnen den "Kunden".

"Gurken? Wir haben heute auch schönen Kopfsalat!", sagt Hella Müller gerade zu einem jungen Mann. Er hat einen Einkaufstrolley dabei, wie die meisten hier. Andere Tafeln packen Tüten, aber da ist die Gefahr zu groß, dass die Leute die Lebensmittel nicht kennen oder nicht mögen und vielleicht doch wegwerfen. "Manche verstehen nicht so gut Deutsch, da muss man dann auch schon mal gackern um zu erklären, dass es Hühnerfleisch ist", sagt Hella Müller und lacht. Für alles findet sich eine Lösung.

Heute ist der Warenbestand gut. Viel frisches Obst, viel Gemüse, auch viel Joghurt und ähnliches für die Kinder. Abgepackte Wurst liegt auf einem Tisch. Bei man-chen Sorten läuft das Mindest-haltbarkeitsdatum am nächsten Tag ab, andere sind noch übers Wochenende haltbar. Und sogar ein paar Blumensträuße hat ein Laden abgegeben. Die Läden profitieren von der Umverteilung ebenso wie die Tafeln, weil sie die Waren nicht entsorgen müssen. Das ruft immer mal wieder Kritiker auf den Plan. "Aber für uns ist das sehr gut", sagt eine 44-Jährige. Sie hat ihren Mann verloren und muss irgendwie allein mit den beiden Kindern klarkommen. "Man würde nicht verhungern", sagt sie. "Aber wenn ich hier Lebensmittel bekomme, kann ich das Geld für andere Dinge verwenden, für einen Schulausflug oder so." Ein Mann ist mit einem Bollerwagen von der Pfaffendorfer Höhe gekommen. Er ist im Moment erwerbsunfähig, da kommt jede Hilfe recht. "Ich habe zwei Kinder, da ist kein Weg zu weit", sagt er.

Draußen stehen einige Leute noch eine Weile zusammen. Eine Frau war länger nicht da, ist den anderen aufgefallen - "ich hatte einen Job", sagt sie leise. "Aber das hat doch nicht geklappt." Vielleicht beim nächsten Mal, sagt sie dann. Die anderen nicken. dos

An folgende Ausgabestellen liefert die Tafel

Die Koblenzer Tafel beliefert laut Homepage folgende Ausgabestellen in Koblenz und den umliegenden Städten:

Goldgrube: Jugendraum St. Franziskus, Am Overbergplatz, Prüfzeiten: Mittwoch, 12 bis 13 Uhr, Ausgabezeiten: Mittwoch, 14 bis 15.30 Uhr

Neuendorf: Katholisches Jugendheim, Am Ufer 17a, Prüfzeiten: Montag, 11 bis 12 Uhr, Ausgabezeiten: Montag, 14 bis 15.30 Uhr

Pfaffendorf: Evangelisches Gemeindezentrum, Emser Straße 23, Prüfzeiten: Freitag, 11 bis 12 Uhr, Ausgabezeiten: Freitag, 14 bis 15.30 Uhr

Bendorf: Gemeindesaal der evangelischen Kirchengemeinde, Yzeurer Platz, Prüfung und Ausgabe: Montag, 14 bis 16 Uhr

Lahnstein: Katholisches Pfarrzentrum, Europaplatz 1, Ausgabezeiten: Donnerstag, 14 bis 16 Uhr, Prüfung nach telefonischer Vereinbarung unter 02621/400 07

Mülheim-Kärlich: Evangelisches Gemeindezentrum, Poststraße 53, Prüf- und Ausgabezeiten: Dienstag, 14 bis 16 Uhr

Weißenthurm: Evangelisches Gemeindezentrum, Bethelstraße 4, Prüf- und Ausgabezeiten: Dienstag, 14 bis 16 Uhr.


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