Koblenz - Wenn am 20. Juni der Kulturbau auf dem Zentralplatz eröffnet und offiziell der Bevölkerung vorgestellt wird, wird damit die Baustelle in Koblenz abgeschlossen, die in den vergangenen Jahren mit Abstand am intensivsten diskutiert wurde. Unser Redaktionsleiter Ingo Schneider analysiert den langen Weg zur Neuen Mitte.
Es geht um eine Baustelle, gegen die Zehntausende Unterschriften gesammelt wurden, gegen die geklagt und protestiert wurde, die Gegenstand einer Meinungsumfrage war – die wiederum selbst zum Zankapfel wurden. Eine Baustelle auch, die eine Bürgerinitiative hervorbrachte – und letztlich sogar eine neue Fraktion im Stadtrat.
Und doch eine Baustelle, die mit einer satten Zweidrittelmehrheit im Rücken in Angriff genommen wurde, nach Jahrzehnten der Debatten. Der Kampf um die Koblenzer Mitte: Was macht ihn so schwierig?
Zunächst ist festzuhalten, dass es den Zentralplatz vor dem Zweiten Weltkrieg gar nicht gab: Das Areal war dicht bebaut. Die alte Stadtmauer verlief mitten durch das, was heute der Platz ist, Fachwerkhäuser prägten das Bild. Dann kam der Krieg und brachte eine breite Zerstörung der Mitte mit sich.
Nach den Aufräumarbeiten entstand erstmals ein Platz und später die Gebäude, die diesen lange Jahre prägten oder einrahmten: das Rodenwaldt-Institut, der Casinobau, die Raiffeisenbank und C & A, die Dresdner Bank, Gewa, Hertie und SinnLeffers.
Einige der Gebäude sind inzwischen verschwunden, einige haben sich komplett gewandelt – aus dem Gewa-Warenhaus etwa wurde nach drei Jahren Leerstand das Schängel-Center. Konstante über die Jahre war eine weitgehend graue und freudlose Platzfläche, die im Übrigen über viele Jahre als Parkplatz benutzt wurde.
Leerstände brachten Zugzwang
Ein Zustand, der schon lange vielen ein Dorn im Auge war. Doch der Handlungsbedarf wurde immer größer, als Hertie sein Warenhaus Ende 1995 schließen musste, nur zwei Jahre nachdem sie es von Quelle übernommen hatten. Denn in der Folge stand dieses über weite Strecken leer oder hatte nur für Teilflächen Mieter zu bieten.
Das Signal für den Aufbruch sollte der Januar 2003 markieren: Der Stadtrat beschloss mit großer Mehrheit, das Sanierungsgebiet „Zentralplatz und angrenzende Bereiche" auf den Weg zu bringen. Aber was genau dem Platz neues Leben einhauchen sollte, das blieb die entscheidende Frage. Ein Kino, ein Park, eine Markthalle, ein Kulturgebäude – oder eine Kombination?
Zunächst tauchte eins aber nicht ernsthaft in der Diskussion auf: ein weiteres Einkaufscenter.
Klare Strukturen erhielten die Pläne mit einem gemeinsamen Antrag von CDU, SPD und FBG, der am 12. Mai 2005 im Stadtrat zur Abstimmung kam. Ein Gebäude(-komplex) mit multifunktionaler Nutzung sollte Kern des neuen Platzes werden. Darin sollten eine Mediathek, ein Museum, ein Veranstaltungsfoyer „Mittelrhein" und ein Präsentations- und Informationszentrum Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal Platz finden.
Und: gewerblich genutzte Nebenflächen – so der O-Ton des Beschlusses. Der Beschluss fiel einstimmig. Für den damaligen Oberbürgermeister Eberhard Schulte-
Wissermann ein „historischer Moment".
Gemeinsame Lösung gesucht
Doch schnell wurde die Idee von der Kostenfrage eingeholt. Und es gab ein weiteres Grundproblem: Das Hertie-Haus befand sich im Eigentum der Strabag, die gleichzeitig auch ein Erbbaurecht an der Tiefgarage unter dem Platz hatte. Für die Stadt ein Problem, jedenfalls für eine Neukonzeption des gesamten Platzes.
Für die Stadt und OB Schulte-Wissermann war klar, dass das wohl nur funktionieren konnte, wenn man zu einer gemeinsamen Lösung mit Strabag kommen würde.Diese nahm Formen an, als Löhr-Center-Betreiber ECE ins Boot kam und ein Konzept für den Platz insgesamt seinen Weg nahm. Darin tauchten dann auch größere Flächen für Einzelhandel auf – der vorhandene Handel in Koblenz fürchtete eine Kannibalisierung. Die Befürworter der Kombination von Einzelhandel und Kultur hofften auf eine Belebung des Platzes, die mit Grün allein nicht zu haben sei, auf
Folgeinvestitionen, Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.
Gegner wollen Grün
Die Gegner hingegen machten „Grün statt Grau" zum Slogan, plädierten für einen Zentralpark und sprachen sich gegen die weitere Ansiedlung von Einzelhandel in diesen Dimensionen aus. Sie warnten vor der drohenden Verschuldung angesichts eines städtischen Anteils von 95 Millionen Euro an den Kosten.
Vor allem die FDP und die Grünen wehrten sich, die Bürgerinitiative Zentralplatz wurde gegründet, sammelte Unterschriften gegen die Pläne und legte die Ergebnisse einer Umfrage vor, nach der 71 Prozent der Befragten gegen das Center auf dem Platz votierten.
Auf dem Fundament dieser Initiative gründete sich die Bürgerinitiative „Zukunft für Koblenz" (BIZ), die später bei der Ratswahl 2009 als Liste die Marke von 10 Prozent knackte. Es gab Klagen und gerichtliche Eilverfahren gegen die Pläne. Aber letztlich wurde der eingeschlagene Weg weiter beschritten.
Im Juli 2007 wurde der Text für den Architektenwettbewerb ausgelobt – den ein Jahr später das niederländische Büro Benthem Crouwel für sich entschied. Ende November 2008 machte der Rat dann endgültig den Weg für das Forum Mittelrhein frei, gab der Stadt grünes Licht für die Verträge mit den Investoren.
Im Juni 2009 stimmte eine breite Mehrheit für den Bebauungsplan. Und am 26. September 2012 wurde das Einkaufscenter mit einem Investitionsvolumen von 145 Millionen Euro eröffnet.
Mag man zum Zentralplatz, zum Verfahren und zu der Konzeption stehen, wie man will: Wenn am 20. Juni der Kulturbau seine Pforten öffnet, wird sie fertig sein: die neue Mitte von Koblenz. Der Schlusspunkt unter jahrzehntelange Diskussionen.