Güls - Laut kreischend frisst sich die Säge durchs Holz. Nur noch ein kleines Stück der Kastanie am Moselufer unterhalb der Gülser Brücke steht. In ein paar Minuten ist der Baum Geschichte.
Von unserer Redakteurin Doris Schneider
Rund 170 Jahre ist er alt geworden, sagt Ortrud Stridde, Abteilungsleiterin der Unteren Naturschutzbehörde. Der Baum, der 1939 den Status eines Naturdenkmals bekommen hat, war nicht mehr stand- und bruchsicher, hat ein Gutachten gezeigt. Das heißt, er hätte sowohl Äste verlieren als auch komplett umfallen können. "Im Wald hätte man ihn vermutlich stehen und in sich selbst zusammensacken lassen", sagt Ortrud Stridde. Dass das neben einem Fußweg und einer Straße nicht geht, versteht sich von selbst. "Kastanien sind nicht unkompliziert", sagt die Fachfrau. Ihr Holz ist relativ weich und sie faulen manchmal auch an den Wurzeln. Wenn es Unfälle mit Bäumen gibt, sind das häufiger Kastanien - was auch daran liegt, dass der eigentlich nicht einheimische Baum gern an Biergärten oder Parks gepflanzt wurde. Die Ersatzpflanzung, die jetzt vorgenommen wird, wird jedenfalls keine Kastanie mehr sein.
Baumkontrolleur Philipp Küsell vom Eigenbetrieb Grünflächen- und Bestattungswesen hat die Fällung beobachtet und dokumentiert. Gut dreieinhalb Stunden hat es gedauert, die der Stamm in Meterstücken abgesägt und aufgeladen war; nun steht nur noch der Stumpf. "Man kann gut sehen, wie kaputt der Baum schon war", zeigt der Fachmann. Nur ganz wenige sehr helle Stellen zeigen gesundes Holz, vieles ist dunkel und morsch, und schwarze Linien zeigen das Totholz an. Als solches werden die Baumreste im Übrigen in Waldstücken in Güls noch einen Zweck erfüllen: Sie werden Tieren dort als Lebensraum dienen. Dass der noch stehende Baum kein Tier in sich hatte, wurde im Vorfeld mit Gutachten geklärt. André Arnold, der für die Überwachung des Artenschutzes zuständig war, musste deshalb auch keine Fledermäuse oder ähnliche Tiere bergen.
Die rund 50 Posten umfassende Liste der Naturdenkmäler in Koblenz ist nun um einen Baum kürzer geworden. Viele der Denkmäler stammen aus den Jahren 1937 und 1939; seit 2004 ist überhaupt kein Naturdenkmal mehr neu auf der Liste hinzugekommen. Die meisten Denkmäler sind übrigens Bäume, darunter etliche Eichen, Platanen und Rotbuchen. Aber auch die ehemaligen Steinbrüche am Rittersturz sind 2004 in den Rand eines Naturdenkmals erhoben worden.
Wie wird ein Baum zu einem Naturdenkmal?
Die Kriterien, wann ein Baum den Status eines Naturdenkmals bekommt, sind im Bundesnaturschutzgesetz klar geregelt.
Danach sind Naturdenkmale "rechtsverbindlich festgesetzte Einzelschöpfungen der Natur oder entsprechende Flächen bis fünf Hektar, deren besonderer Schutz
aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder wegen ihrer Seltenheit, Eigenart oder Schönheit
erforderlich ist",heißt es in Paragraf 28. Und weiter: "Die Beseitigung des Naturdenkmals sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturdenkmals führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten." Entsprechend wird auch genau untersucht, ob ein Baum, der den Status eines Naturdenkmals hat, eventuell gerettet werden kann oder tatsächlich gefällt werden muss. dos