Koblenz - Als "schwulste Stadt Deutschlands" wurde Koblenz vor knapp drei Jahren bezeichnet. Das war zwar auf einen statistischen Fehler zurückzuführen. Trotzdem gibt es hier eine beachtliche Szene. Als Treffpunkt dient unter anderem die Schwule Jugendgruppe Koblenz (SJK), die seit nunmehr 25 Jahren Freizeitangebote, Beratung und Hilfe anbietet.
"Wir sehen uns hauptsächlich als Jugendtreff, aber natürlich bieten wir auch psychosoziale Arbeit, etwa bei Coming-outs oder Problemen mit den Eltern", meint Denis Beil, der seit drei Jahren Geschäftsführer des Vereins ist. Allerdings haben sich die Schwerpunkte der Arbeit im Laufe der Zeit verschoben.
Heute suchen viele Jugendliche Rat und Hilfe in Internetforen. Die Coming-out-Beratung ist dadurch weniger geworden. Dafür hat sich das Netzwerk des Vereins vergrößert. "Ob Queernet, Aidshilfe oder Christopher Street Day Koblenz - durch die Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Aktionen können wir heute viel mehr erreichen", ist Denis Beil überzeugt. Neben der internen Arbeit wirbt der Verein auch für Toleranz.
Im schwul-lesbischen Schulaufklärungsprojekt "Schlau" reden Mitglieder über ihre persönlichen Erfahrungen. "Die Schüler sprechen und denken anders über das Thema, wenn sie jemandem gegenübersitzen, der sich offen zu seiner Homosexualität bekennt", meint Beil. "Es ist etwas anderes, ob man über oder mit Schwulen redet. Dadurch wollen wir letztendlich auch das gesamte Klassenklima verbessern."
Von so viel Engagement zeigt sich auch der Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig begeistert. Anlässlich des 25. Vereinsjubiläums zeichnete er ein Grußwort auf, das vor Kinovorführungen zu sehen sein soll. Hofmann-Göttig sieht seine Stadt als grundsätzlich tolerant. "Die Koblenzer sind von Natur aus liberal. Wegen meiner Schirmherrschaften für schwul-lesbische Aktionen und Vereine habe ich noch keinen einzigen Protestbrief erhalten."
Jannik Zörner, ebenfalls im SJK aktiv, sieht sich hingegen noch nicht völlig akzeptiert. Obwohl er sich in Koblenz insgesamt recht wohlfühlt, geht er mit seinem Freund zum Beispiel niemals Hand in Hand durch die Stadt. "Ich fühle mich zwar nicht bedroht, aber man zieht eben doch noch jede Menge Blicke auf sich. Manch einer kommt damit vielleicht besser klar, ich aber nicht." Um nicht mehr als Exot zu gelten, sind vielleicht noch weitere 25 Jahre Vereinsarbeit notwendig.
Von unserem Mitarbeiter Victor Franke