Koblenz - Er soll einen damals 16-Jährigen sexuell missbraucht haben - und wehrt sich jetzt öffentlich: Der Priester, gegen den das Bistum in einem internen Verfahren wegen Vorfällen im Jahr 1985 ermittelt, hat in Koblenz Flugblätter an die Gläubigen verteilt.
Von unserem Redakteur Ingo Schneider
Er soll einen damals 16-Jährigen im Saarland sexuell missbraucht haben - und wehrt sich jetzt öffentlich: Der Priester, gegen den das Bistum in einem internen Verfahren wegen Vorfällen im Jahr 1985 ermittelt, hat nach einer Messe im Dezember in Koblenz Flugblätter an die Gläubigen verteilt. In Koblenz und im Kreis Altenkirchen ist der Beschuldigte immer noch im Einsatz. Wie die Tageszeitung Trierischer Volksfreund (TV) berichtet, handelt es sich bei dem Flugblatt, das er jetzt verteilt hat, um Kopien seines Schreibens an Generalvikar Georg Bätzing. Das Schreiben liegt dem TV vor.
Der Priester widerspricht darin den Vorwürfen. Und er kritisiert die Aufarbeitung durch das Bistum. Im Januar 2013 habe es ein längeres Gespräch mit dem Offizial Georg Holkenbrink gegeben. Zur Erklärung: Der Offizial ist der Leiter des kirchlichen Gerichts im Bistum. Zudem, so der Priester weiter, habe er sich zwei forensischen Gutachten unterzogen. Der Vorwurf des Missbrauchs wiege schwer.
An den Grenzen der Belastbarkeit
Er habe sich aus seiner Sicht gegenüber dem mutmaßlichen Opfer nichts zuschulden kommen lassen. Und weiter: "Selbst wenn dies zuträfe, glaube ich als unmittelbar Betroffener und Mitglied des Presbyteriums eine zügige Aufklärung und einen baldigen Bescheid meines Bischofs erwarten zu dürfen." Das Verhalten der Verantwortlichen sei zögerlich, er sei einem Stigmatisierungsprozess ausgesetzt, der an die Grenzen seiner psychischen und physischen Belastbarkeit gehe.
Im Juli 2012 hatte sich ein heute 45-jähriger Saarländer beim Bistum Trier gemeldet und die Missbrauchsvorwürfe gegen den Priester erhoben (die RZ berichtete). Strafrechtlich ist der Fall verjährt, das kircheninterne Verfahren läuft. Das mutmaßliche Opfer betonte, dass er sich ignoriert fühle - genau wie nach den Vorfällen vor 28 Jahren. Und auch die Opferschutzinitiative Schafsbrief kritisierte das Vorgehen des Bistums: Vor allem, dass der Priester trotz der Vorwürfe während des langen Verfahrens noch in der Seelsorge tätig ist, ist Hermann Schell von Schafsbrief ein Dorn im Auge.
Und jetzt kommt die neue Kritik am Bistum dazu - dieses Mal vom Beschuldigten selbst. "Ich fühle mich von den Verantwortlichen hingehalten und im Stich gelassen, aus welchen Gründen auch immer", schreibt er.
Die überraschende Flugblatt-Aktion stößt auf wenig Gegenliebe beim Bistum. "Für die Vorgehensweise des Priesters haben wir kein Verständnis", sagt die stellvertretende Pressesprecherin Judith Rupp auf Nachfrage der RZ. Die kirchenrechtliche Untersuchung werde mit der gebotenen Sorgfalt und mit der dafür benötigten Zeit durchgeführt. Sie werde anders als das staatliche Strafverfahren unabhängig von der Frage der Verjährung durchgeführt.
Aufwendiges Verfahren
Im vorliegenden Fall sei sie wegen der Vernehmung mehrerer Zeugen mit größerem zeitlichen Aufwand verbunden. Zur Frage, warum der Priester weiter in der Seelsorge tätig ist, hatte sich das Bistum bereits geäußert - und bleibt jetzt bei seiner Antwort: "Der gegenwärtige Stand der Untersuchung rechtfertigt zum jetzigen Zeitpunkt weder eine Beurlaubung noch ein Zelebrationsverbot."
Der Koblenzer Dechant Thomas Hüsch will sich auf Anfrage der RZ zu der Flugblattaktion des Priesters nicht äußern. Er aber habe das Thema einer Beurlaubung bis zur Klärung der Vorwürfe in die Gespräche mit der Bistumsleitung eingebracht. Der Einsatz des Beschuldigten im Dekanat Koblenz sei im Übrigen "sehr begrenzt". Hüsch sagt: "Der Priester reist punktuell zur Feier einer Messe im außerordentlichen Ritus im Kloster Bethlehem an. Ansonsten ist er in Koblenz nicht eingesetzt."
Wann es letztlich eine Entscheidung in dem Fall geben wird, bleibt im Moment weiter offen. Bistumssprecherin Judith Rupp sagt: "Über den Zeitpunkt des Abschlusses der Untersuchung können wir keine Angabe machen."