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Koblenzer Finanzexperte gibt Tipps: Es gibt keine Anlagestrategie von der Stange

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Koblenz - Niedrige Zinsen einerseits, optimistische Stimmung an den Börsen andererseits: Wer sein Vermögen anlegt, sollte angesichts der außergewöhnlich guten DAX-Entwicklung auf Aktien setzen. Oder doch nicht?

Niedrige Zinsen einerseits, optimistische Stimmung an den Börsen andererseits: Wer sein Vermögen anlegt, sollte angesichts der außergewöhnlich guten DAX-Entwicklung auf Aktien setzen. Oder doch nicht? Werner Dormayer ist zuversichtlich, aber nicht euphorisch. Der Bereichsleiter der Vermögensbetreuung der Volksbank Koblenz Mittelrhein eG ist vorsichtig. Er geht angesichts des DAX-Rekordstandes davon aus, dass nur noch moderate Steigerungen möglich sind. Wir haben mit dem Finanzexperten gesprochen.

Trotz der grundsätzlich guten Entwicklung an den Börsen halten sich viele Anleger beim Thema Aktien zurück. Warum?

2013 war für Wertpapieranleger in der Tat ein gutes bis sehr gutes Jahr, je nachdem welche Anlageklasse betrachtet wird. Ein stärkeres Engagement von Privatanlegern hätte sich angesichts der derzeit sehr niedrigen Zinsen bei Bankeinlagen durchaus ausgezahlt. Viele Anleger sind immer noch besorgt, dass Schuldenkrise und Notenbankpolitik in Europa immer noch Risiken bergen könnten. Aus meiner Sicht sind außerdem die zunehmenden Regulierungen mit den damit verbundenen Dokumentationspflichten für das Verhältnis von Beratern und Kunden nicht förderlich.

Kommt in diesem Jahr der Knall?

Nein. Die Gewinnerwartung der Unternehmen ist positiv, und es gibt ermutigende Fortschritte bei der Bewältigung der Schulden- und Eurokrise. In der Öffentlichkeit wird dies leider kaum wahrgenommen. Allerdings wird die Europäische Zentralbank (EZB) möglicherweise - wie es die Federal Reserve (FED) in Amerika vorgemacht hat - in Europa verstärkt Staatsanleihen kaufen. Die jeweilige Führung dieser Institutionen braucht großes Fingerspitzengefühl. Daneben sehe ich als Risiko die Entwicklung in den EU-Ländern. Wichtig ist hier Frankreich. Dort zeigt sich, dass wenig Neigung besteht, die nötigen strukturellen Anpassungen vorzunehmen - auch wenn der Präsident aktuell tief greifende Reformen ankündigt.

Was soll das? Wird jetzt mehr Geld gedruckt und Inflation gefördert?

Im Prinzip ist genügend Geld vorhanden. Das Problem ist, dass es auch in Form von Kreditvergaben in den Umlauf muss, um die Wirtschaft in den südeuropäischen Ländern anzukurbeln. Auch in Deutschland ist die Kreditvergabe rückläufig, das heißt, das Geld kommt entweder gar nicht erst in den Kreislauf oder es fließt zu langsam weiter. Und genau hier liegt das Problem: Überschüssiges, also anlagesuchendes Geld, führt in einzelnen Anlagesegmenten zur Bildung von Spekulationsblasen, die irgendwann platzen, zum Beispiel am Anleihemarkt oder in bestimmten Lagen bei Immobilien. Bei Aktien sehe ich diese Gefahr zurzeit noch nicht.

Insgesamt sehen wir derzeit keinerlei Inflationsdruck. Die jüngsten Konjunkturdaten aus dem Euroraum deuten nicht darauf hin. Auch die geringe Auslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten, steigende Eigenkapitalquoten der Unternehmen und die Sanierung der öffentlichen Haushalte halten die Inflationsrate moderat.

Was raten Sie Anlegern eigentlich?

Die optimale Anlagestrategie ist immer abhängig von individuellen Faktoren. Ein guter Berater wird dem Kunden sagen, dass er schnell verfügbare Rücklagen braucht - zum Beispiel für unvorhersehbare Anschaffungen. Trotz niedriger Zinsen ist deshalb ein Sparkonto immer noch sehr sinnvoll. Dann wird gemeinsam festgelegt, wie das über diesen Grundstock hinausgehende Geld optimal strukturiert und angelegt werden kann. Bildhaft gesagt: Es sollten nie alle Eier in einen Korb gelegt werden. Außerdem spielen natürlich auch die persönliche Risikoneigung und die individuelle Lebensplanung eine entscheidende Rolle.

Grundsätzlich gilt: Wer aus vermeintlichem Sicherheitsdenken aber mehr als seine Liquiditätsreserve auf dem Sparbuch deponiert, verliert am Ende Geld, da sich der Marktzins zurzeit unterhalb der Inflationsrate bewegt. Aus meiner Sicht lohnt sich nach wie vor die Anlage in Wertpapieren. Trotz aktuell hoher Kurse sehen wir auch für die Zukunft noch ein gewisses Potenzial für Wertsteigerungen an den Aktienmärkten. Wir richten unsere Empfehlungen zurzeit daran aus, dass unsere Kunden auch bei stagnierenden oder leicht fallenden Aktienkursen profitieren können. Anders als bei klassischen Anleihen, die ein festes Zinsversprechen geben und die Rückzahlung zu 100 Prozent garantieren, sind sogenannte strukturierte Anleihen an bestimmte Entwicklungen des Aktienmarktes gekoppelt. Der maximal mögliche Ertrag kann je nach Ausstattung zwischen 3 und 7 Prozent liegen. Aber auch hier gilt es, die typischen Risiken zu beachten. Wenn es zu starken Rückschlägen am Aktienmarkt kommt, kann bei solchen Anlagen am Ende ein Kapitalverlust stehen. Deshalb sollte sich der Anleger mit einem professionellen Anlageberater besprechen, ob ein Investment eingegangen werden soll.

Das Gespräch führte Reinhard Kallenbach


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