Koblenz - Avadislav Avadiev ist der neue Vorsitzende des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz. Der 50-Jährige aus der Koblenzer Gemeinde vertritt damit Mitglieder aus Mainz, Koblenz, Trier, Bad Kreuznach und der Rheinpfalz mit Sitz in Speyer.
Von unserer Mitarbeiterin Katharina Demleitner
Seit rund sechs Wochen ist Avadislav Avadiev Vorsitzender des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz. Der 50-Jährige aus der Koblenzer Gemeinde vertritt damit rund 3500 Mitglieder aus der Gemeinde Mainz und den Kultusgemeinden Koblenz, Trier, Bad Kreuznach und der Rheinpfalz mit Sitz in Speyer.
Im RZ-Interview nennt der Geschäftsmann neben der Vertretung des Judentums nach außen die Information über jüdisches Leben als dringlichste Aufgabe des Landesverbandes. Dabei will der neue Vorsitzende die Geschichte nicht aus den Augen verlieren. Den immer weniger werdenden Zeitzeugen des Nationalsozialismus komme dabei eine besondere Bedeutung zu.
Gleichzeitig richtet der Vorsitzende den Blick aber klar in die Zukunft, gehe es doch um den Aufbau eines neuen deutschen Judentums. Der Generationenwechsel müsse bewältigt werden. Probleme bereiten den jüdischen Gemeinden, deren Mitglieder zum weitaus größten Teil Zuwanderer aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion stellen, ihre schwache finanzielle Ausstattung.
Nicht äußern wollte sich der gebürtige Usbeke im Gespräch mit unserer Zeitung zu den zuletzt heftigen Kontroversen im Verband, die sich um finanzielle Themen und Personalien drehten. Unbeantwortet blieb auch die Frage, warum Avadislav Avadievs Vorgänger, Peter Waldmann, vorzeitig aus dem Amt ausschied. Eigentlich endete dessen Amtszeit erst 2014.
Interview mit Avadislav Avadiev
Als Avadislav Avadiev 1995 mit seiner Familie in die Region zog, hatte die Jüdische Kultusgemeinde Gemeinde zu wenige Mitglieder, um einen Gottesdienst durchzuführen. Avadiev trug mit dazu bei, eine lebendige Gemeinde mit heute rund 1000 Mitgliedern aufzubauen. Kürzlich wurde er zum Vorsitzenden des Jüdischen Landesverbandes gewählt.
Warum hat der Landesverband bereits im Dezember einen neuen Vorsitzenden bekommen?
Das sind innere Angelegenheiten, aber Peter Waldmann hätte ja ohnehin nur noch wenige Monate Amtszeit gehabt. Er hat viel getan für den Landesverband. Ich bin seit 2011 stellvertretender Vorsitzender gewesen und bin jetzt für drei Jahre in das Amt gewählt.
Welche Themen wollen Sie als neuer Landesvorsitzender in den Vordergrund stellen?
Ich sehe es als meine Aufgabe an, das Judentum allen Gemeinden, aber auch allen Nicht-Juden nahe zu bringen. Die Leute wissen sehr wenig über das jüdische Leben in ihrer Stadt. Eine große Rolle spielt dabei natürlich die Geschichte. Wir müssen sie kennen, mit ihr umgehen können und sie an unsere Nachkommen weitergeben. Dafür sind Zeitzeugen, die die Schrecken des Nationalsozialismus erlebt haben, äußerst wichtig. Der Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde hier in Koblenz, Heinz Kahn, hat Auschwitz überlebt. Nach wie vor macht der 91-Jährige Führungen in der Gemeinde, spricht vor Schülern oder Bundeswehrsoldaten. Davon können wir viel lernen.
Wie erleben Sie Antisemitismus heute?
Juden können sich in Deutschland so sicher fühlen wie in beinahe keinem anderen Land der Welt. Antisemitismus gibt es überall. Die Frage ist, wie ihn der Staat bekämpft. Dabei geht es nicht nur um Judenfeindlichkeit, sondern um den Hass gegen jegliche Religion. Der Talmud lehrt, jeden Menschen unabhängig von einem Glauben zu ehren. Gerade hier in Koblenz unterstützen uns die christlichen Gemeinden und auch die Politik sehr, zum Beispiel in Bezug auf den Synagogen-Neubau. Die Gespräche dazu kommen gut voran.
Wie sehen Sie die Zukunft für den jüdischen Landesverband?
Es geht darum, Schritt für Schritt deutsches Judentum wieder aufzubauen. Auschwitz hat eine riesige Lücke hinterlassen. Vor 1945 haben viele jüdische Deutsche viel Gutes für ihr Land getan, denken Sie nur an die Nobelpreisträger. Ich bin überzeugt, dass unsere Kinder und Enkel das auch wieder tun werden. Ich fühle mich hier beheimatet und bin sicher, dass das Judentum in Deutschland eine Zukunft hat.
Was tut der Landesverband konkret?
Der überwiegende Teil unserer Mitglieder sind Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Mit Sprachkursen und Sozialarbeitern helfen wir, die Menschen in Arbeit zu bringen. Und wir tragen dazu bei, dass Gottesdienste und Unterricht in den finanziell meist schwachen Gemeinden stattfinden können.
Das Gespräch führte Katharina Demleitner
Avadislav Avadiev
1963 kommt Avadislav Avadiev als zweites Kind einer traditionellen jüdischen Familie in Usbekistan zur Welt. Er wächst in Aserbaidschan auf und studiert Physik. 1995 geht die Familie nach Koblenz. Sofort meldet er sich bei der jüdischen Gemeinde - und ist entsetzt. Vor allem die fehlende Mindestzahl an zehn Männern, die für die Feier eines jüdischen Gottesdienstes notwendig sind, bestürzen den Einwanderer. Nach dem Vorbild seines Vaters und des damaligen wie heutigen Gemeindevorsitzenden Heinz Kahn engagiert sich Avadislav Avadiev. Heute ist er Geschäftsmann, Sohn und Tochter studieren. kde