Koblenz - Mitarbeiter, die sich in Unterschriftenlisten gegen Verdi-Forderungen eintragen und sich mit "Pro Amazon"-T-Shirts mit ihrem Arbeitgeber solidarisieren: Was in Leipzig und Bad Hersfeld deutschlandweit Furore gemacht hat, steckt in Koblenz allenfalls in den Anfängen. Anti-Verdi-Stimmung gibt es aber auch hier - und einen Boykottaufruf zur Rede der Verdi-Sekretärin bei der Betriebsversammlung.
Von unseren Redakteuren Tim Kosmetschke und Lars Wienand
Im Internet kursiert ein von einem Koblenzer gestarteter Aufruf, bei der kommenden Betriebsversammlung aufzustehen und zu gehen, wenn die für Amazon Koblenz zuständige Gewerkschaftssekretärin das Wort ergreift. Der Aufruf ist mit "Kollegen, wehrt euch" überschrieben: "Gegen Hetzkampagnen & Unwahrheiten, für loyale Mitarbeiter bei Amazon". Zu sehen ist eine Hand, die eine Rote Karte zeigt mit dem Slogan: "Anti Verdi".
Der Ton passt zu den Initiativen in den Amazon-Zentren in Leipzig und Bad Hersfeld. Dort wurden mehr als 1000 Unterschriften gegen eine "negative Darstellung" des Unternehmens gesammelt. Mitarbeiter, die zeigen wollen, dass sie gern bei Amazon arbeiten, versammeln sich bei Facebook in der Gruppe, die ein Koblenzer Amazon-Mitarbeiter gegründet hat und in der nur ausgewählte Mitglieder zugelassen sind. Sie sei für "die Kollegen, die dem Treiben von Verdi nicht zustimmen und etwas gegen solche Arbeitsplatzvernichtungsorganisationen unternehmen wollen", erklärte er. Ein Großteil der gut 120 Mitglieder der Gruppe stammt vom Standort Koblenz, wo außerhalb des Weihnachtsgeschäfts knapp 2000 Menschen arbeiten.
In einer offenen Gruppe "Pro Amazon" gibt es auch Unverständnis für die deutliche Positionierung mancher. Das spalte und vertiefe Gräben im Unternehmen. Denn es gibt es auch die, die nun die "Pro Amazon"-Bekenner zu Schleimern erklären, im freundlichen Fall.
Verdi-Frau Angela Bankert kennt die "Anti-Verdi"-Gruppe und auch den Aufruf, ihre Rede bei der Betriebsversammlung zu ignorieren. Die Gewerkschaftssekretärin zeigt sich unbeeindruckt und will den Termin nutzen, um für die Anliegen der Gewerkschaft zu werben, vor allem für die Einführung eines Tarifvertrags: "Was ist an einem Tarifvertrag so schlecht, dass sich die Mitarbeiter dagegen wehren müssen?", fragt sie. Sie verweist auf Zugeständnisse, die Amazon erst angesichts der Streiks und des öffentlichen Drucks gemacht habe.
Dass die Aktionen gegen Verdi vor allem im Sinne der Geschäftsleitung seien, zeige sich daran, dass Amazon prominent über das Unterschriftensammeln in seinem Unternehmensblog berichte und es offiziell begrüße. Unterschriften in Leipzig seien unter Aufsicht des Managements eingeholt worden.
Raimar Flöck, Koblenzer Betriebsratsvorsitzender, hat von Unterschriften- oder T-Shirt-Aktionen in Koblenz noch nichts gehört, auch weil die Situation hier eine andere ist und aktuell kein Streik geplant sei. Er hat aber eine Erkärung, warum es Unmut geben könnte: Kollegen müssen sich ständig dafür rechtfertigen, dass sie bei Amazon arbeiten, fühlen sich nach entsprechenden Verdi-Aussagen in den Medien verunglimpft, warum sie dort arbeiten "müssen" - und verdienen dabei doch vielfach besser als bei früheren Arbeitgebern.
Der Koblenzer Amazon-Mitarbeiter Sven Mergner etwa hat sich nach einem kritischen „Frontal 21“-Bericht mit einem Video ebenso ehrlich wie schlicht Luft gemacht: „Verdi will diesen Konzern einfach plattmachen – wie Schlecker und Max Bahr“, sagt er dort und verteidigt seinen Arbeitgeber engagiert.
Für das Video bekam er einige Zustimmung, aber auch zum Teil beleidigende Kommentare. „Mein Video hat ja was bewirkt“, freute er sich am Montag über die Berichterstattung zum Verdi-Unwillen.
Betriebsratsvorsitzender Reimar Flöck kann aber auch verstehen, "dass Kollegen für die Einführung eines Tarifvertrags streiken". Das Verhältnis des Betriebsrats zu Verdi sei gut - die Gewerkschaft stehe mit Rat und Tat zur Seite, man steht in engem Kontakt. Auch mit der Geschäftsleitung tausche man sich aus.