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Bachelor-Arbeiten liefern Vorschläge für den Neubau einer neuen Koblenzer Synagoge - Jüdische Symbolik prägt die Entwürfe

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Koblenz - Professor Henner Herrmanns hatte an zehn seiner Bachelor-Kandiaten am Fachbereich Bauwesen der Hochschule Koblenz eine anspruchsvolle Aufgabe vergeben. Die Planung für den Neubau einer neuen Koblenzer Synagoge.

Die Zahl Drei bedeutet Heiligkeit, die Menora, der siebenarmige Leuchter, steht für Erleuchtung, und der Davidstern ist das Symbol für das Volk Israel: Die drei "Klassiker" aus der so reichen jüdischen Symbolik sind immer wieder Leitmotive, wenn Synagogen geplant werden. Auch die Architekten in spe, die ihre Vorschläge für eine neue Koblenzer Synagoge fertiggestellt haben, orientieren sich an diesen Standards, bereichern diese aber durch starke regionale Bezüge und Varianten.

Professor Henner Herrmanns hatte an zehn seiner Bachelor-Kandiaten am Fachbereich Bauwesen der Hochschule Koblenz eine anspruchsvolle Aufgabe vergeben. Denn die Planung einer Synagoge erfordert nicht nur viel Fingerspitzengefühl für die städtebaulichen Bezüge, sondern auch die Bereitschaft, sich in eine andere Religion hineinzudenken. Auch Muslime, die auf der Karthause Architektur studiert haben, stellten sich dieser Aufgabe.

Sechs Bearbeiter gingen übrigens davon aus, dass die vom SPD-Ratsmitglied Christian Altmaier ins Spiel gebrachte Bebauung des Reichensperger Platzes sehr sinnvoll ist und widmeten deshalb dieser Option ihre Arbeiten. Für das Grundstück Weißer Gasse entschieden sich drei Kandidaten. Nur Melanie Tiemeyer traute sich an eine Planung für die Schlachthofstraße heran.

Die wohl spektakulärste Arbeit dürfte die von Kristina Bozic sein. Die junge Frau schlägt vor, das Areal des Stadtbades mit einer mehrteiligen Synagoge zu bebauen. Auffällig: der Gebetstrakt, der als großer, mit Messing-Stahlblech-Platten verkleideter Polyeder gestaltet ist. Das Ganze wurde so angeordnet, dass der Trakt einerseits Sichtbezüge zur Burgstraße herstellt, andererseits an der Weißer Gasse Platz für andere Projekte lässt. Auf "skulpturale Architektur" in diesem Bereich setzt Sehriban Cakir, die im Innenraum Davidsterne in Blau (Gott) und Purpur (Reichtum) leuchten lässt.

Auch Claas Trede entschied sich für den Bereich des Stadtbades. Sein Ansatz war es, nicht nur die Anforderungen der Gemeinde zu erfüllen, sondern auch die Altstadtsilhouette weiter aufzuwerten. Zwar ist sein Vorschlag streng gehalten, doch sorgt das abfallende Dach dafür, dass das Umfeld nicht optisch "erschlagen" wird.

Ebenso anspruchsvoll waren die Herausforderungen am Reichens- perger Platz. Galt es doch für die Kandidaten, die Fläche nicht komplett zuzubauen und den Baumbestand zu schonen. Außerdem sollte das kleine Kunststück gelingen, etwas Einmaliges zu schaffen, das die benachbarten historischen Gebäude optisch nicht degradiert.

Das Problem lösten Markus Adams und Serpil Akgun durch das Spiel mit Höhen und Grundrissen, während Tim Reese eine zurückhaltende Lösung favorisierte, die sich auch bei der Wahl der Baumaterialien am Umfeld orientiert. Dagegen entschied sich Rina Pohlmann für eine Teilung in zwei Baukörper, die durch einen Weg getrennt werden, der vom Rhein zum Gericht führt. Vorbild für ihr Konzept waren Flusslauf und Berge des Mittelrheintals.

Sämtliche Entwürfe werden schon im Januar im Rahmen einer Ausstellung in der Jesuitenkirche (Citykirche) zu sehen sein. Der genaue Termin wird noch bekannt gegeben.

Reinhard Kallenbach

Vom einfachen Haus zum Mittelpunkt der Gemeinde

Im Vergleich zu konventionellen Kirchen sind beim Bau einer Synagoge weniger Anforderungen zu erfüllen, weil der Talmud keine strengen Vorgaben macht. Ursprünglich konnte jedes Haus in eine Synagoge umgewandelt werden. Diese Tatsache erklärt auch, warum von den  Versammlungsstätten der frühen jüdischen Gemeinden in Koblenz und Ehrenbreitstein wenig bekannt ist.

Eine Synagoge - das Wort stammt übrigens aus dem Griechischen und steht für Versammlung - ist nicht nur Gotteshaus, sondern steht für mehrere Funktionen. Synagogen sind auch Bildungsstätten und Mittelpunkt des Gemeindelebens. Sie bestehen im Idealfall aus mehreren Teilen, wobei der Sakralbereich einen eigenen Trakt bilden sollte. ka

Die Vorgeschichte

Bis zur sogenannten Reichspogromnacht am 10. November 1938 waren Synagogen Teil der deutschen Baukultur. Die jüdischen Gotteshäuser orientierten sich lange an Kirchenarchitektur, mit Ausnahme der Synagoge in Bad Buchau hatten sie jedoch kein Geläut. Ein "Synagogenstil" bildete sich in Deutschland erst im Laufe des 19. Jahrhunderts heraus. Die Einrichtung der Synagoge im Bürresheimer Hof 1847/48 folgte einer älteren Tradition - dem Umbau bestehender Gebäude für den neuen Zweck.

Die Geschichte der jüdischen Gemeinden in Koblenz reicht bis weit in das Hochmittelalter zurück. Doch erst mit der Besetzung der Stadt durch französische Revolutionstruppen im Herbst 1794 kam die volle Gleichberechtigung für Juden. Die Gemeinde wuchs, im Jahr 1895 hatte sie 576 Mitglieder. 1933 waren es sogar 669 Personen. Rund 80 Jahre nutzten Juden die Synagoge im Bürresheimer Hof, deren Ausstattung in der Pogromnacht fast komplett zerstört wurde. Danach fiel das Gebäude an die Stadt. Erst nach dem Krieg wurde das 1944 teilzerstörte Objekt wieder an die jüdische Gemeinde zurückgegeben, die zu diesem Zeitpunkt vor allem aus Überlebenden des Völkermords bestand. Da es der kleinen Gemeinde unmöglich war, den Standort aufzubauen und zu betreiben, wurde ein Teil des Hofs an einen privaten Eigner verkauft, während das Haupthaus an die Stadt veräußert wurde. Die Gemeinde nutzte stattdessen die 1925 von Carl Schorn erbaute Trauerhalle am jüdischen Friedhof im Rauental als Synagoge.

Die Trauerhalle wurde von 1961 bis 1962 vom Architekten Helmut Goldschmidt umgebaut und durch einen Gemeindesaal erweitert. Durch die starke Zuwanderung von Juden in den 1990er-Jahren wuchs die Gemeinde auf fast 1000 Mitglieder. Derzeit wird eine Alternative für den bisherigen Standort gesucht. Eine Rückkehr in den Bürresheimer Hof scheidet aus, weil Investor Martin Görlitz in den leer stehenden städtischen Gebäuden ein gemeinnütziges Institut errichten will und deshalb die Objekte gekauft hat. Obwohl Beiträge im Berliner Tagesspiegel und in der Washington Post das Gegenteil suggerieren, hat es eine zweite Enteignung der jüdischen Gemeinde nie gegeben. ka


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