Von unserer Redakteurin Doris Schneider
Knistern ist nur eins der vielen Geräusche, die es am rundum runden Premierenabend zu hören gibt. Daneben: klassische und ganz moderne Musik, klackende Becher, die gestapelt werden, scheppernde Hula-Hoop-Reifen, stapfende Füße, surrende Bänder – und viel Lachen und Beifall für die Künstler, die unter der Regie von Karl-Heinz Helmschrot das Weihnachtsvarieté 2013 im Café Hahn gestalten.
Wandlungsfreudiger Herr Benedikt
Zum Beispiel Herr Benedikt. Er scheint von der Arbeit zu kommen. Seine dicke Aktentasche umklammernd, hält sich der schlaksige Mann im Anzug an den Haltegriffen einer imaginären U-Bahn fest, um dann eine Sekunde später an den Griffen durch die Luft zu wirbeln, mal kraftvoll, mal elegant. Im zweiten Teil wird er dann als Dirigent gekleidet in einem Reifen ähnlich einem schlanken Rhönrad über die Bühne sausen und gleiten und dabei ein Musikstück studieren – weltfremdes Zwinkern eines verkannten Genies inklusive.
Oder Dennis Schleussner. Dass ein Jo-Jo viel mehr sein kann als ein Kinderspiel, zeigt der achtfache deutsche Weltmeister mit einem jungenhaften Lächeln und einer Fingerfertigkeit, die einen schwindelig werden lässt. Und nicht nur das: In rasantem Tempo baut er außerdem Stapel aus Kunststoffbechern auf und wieder ab. Ein bisschen verrückt muss man sicher sein, um auf eine solche Idee zu kommen. Aber solange Künstler und Publikum gleichermaßen Spaß haben, ist ja alles prima.
Wie auch bei Domsn, der mit seiner temporeichen Nummer am Trapez die Gesetze der Schwerkraft Lügen zu strafen scheint. Kraftvoll schwingt er und purzelt sich scheinbar mühelos in die Höhe, um im nächsten Moment entspannt auf dem Trapez zu liegen.
Entspannung, dieses Wort passt zu den Fetten Moves wie das Weihwasser zum Teufel. Rasanten und dynamischen Breakdance kombinieren die drei Jungs im Nadelstreifenanzug mit Tanz im Stil von Michael Jackson, Tanz auf dem Kopf und Akrobatik. Am Schluss wird dann nur lässig die Krawatte zurechtgerückt – ein Zwinkern mit dem Auge, alles cool.
Cool gibt sich auch Danilo Marder. Dabei ist es einfach irre, was der junge Artist auf den beiden hohen Stangen so tut. So leicht, wie er sich im Handstand hochschiebt, kommen die meisten Menschen nicht herunter. Charmant lächelnd verbiegt er seinen Körper – auf einer Hand in luftiger Höhe stehend – zu immer neuen Figuren, steht scheinbar mühelos mal neben der Stange, an der er sich nur mit den Händen festhält, dann wieder wie eine Fahne senkrecht zu ihr.
Scheinbar mühelos
Scheinbare Mühelosigkeit vermittelt auch Lena Ries, wenn sie ihren Luftring in allen denkbaren Verbiegungen umwickelt. Dass sie Knochen haben soll wie andere Menschen auch, glaubt man fast nicht, wenn sie sich so grazil bewegt – allein oder in der gemeinsamen Nummer mit Tigris, der als Solokünstler eine coole Hula-Hoop-Nummer im Stil des Chicago der 20er-Jahre präsentiert. Während die Reifen um seinen muskulösen Körper kreisen, als wären sie ein Teil von ihm, genießt er den Kontakt mit dem Publikum.
Darin ist er an diesem Abend allerdings nicht die Nummer eins. Denn Conférencier Andi Steil stiehlt ihm darin die Show, plaudert charmant mit dem Publikum, zeigt seine immer neuen Frisurkreationen auf einer glatten Glatze, trommelt, musiziert, singt wunderbar und blödelt gnadenlos witzig. Wenn der einzige Mensch, der eine Jam-Session ganz allein veranstalten kann (Steil über Steil), La Paloma pfeift oder mit dem Publikum das Flamencoklatschen einübt, dann wickelt er es dabei um den kleinen Finger. Selbst die eigentlich blödesten Wortspiele sind aus seinem Mund einfach unheimlich komisch. Und so kann man seiner ganzen Reihe von „Tischen“, die er angeblich auf dem Basar in Mombasa (dem Mombasar also) gekauft hat – Fetisch, dramatisch, karnevalistisch und noch mehr – nur eins hinzufügen: fantastisch!
Weitere Termine bis Weihnachten und Tickets: www.cafehahn.de