Sie befasste sich mit dem Thema "Ja, hat das die Mosel so an sich? - Ballermann und Moselochsen: Eine Region auf dem Weg raus aus der Imagefalle.
Dieser Weg kann nur über qualitativ hochwertige Angebote führen, sowohl in Gastronomie und Weinbau als auch in Tourismus und Einzelhandel. Allerdings wurde auch klar, dass es noch einige Steine aus dem Weg zu räumen und einige Hürden zu überwinden gilt, nicht zuletzt in der Kreisstadt Cochem.
Bürgermeister des "Schmuddelkinds" der Mosel? Das ist eine Wortwahl, die den Cochemer Wolfgang Lambertz schmerzt, gibt er unumwunden zu. Deutlich und selbstbewusst fügte er allerdings direkt hinzu: "Unser Stadtbild sieht nicht aus, als bezöge es Hartz IV." Erst vor Kurzem habe man das Förderprogramm "historische Stadtbereiche" angestoßen, das helfen solle, das Äußere der Altstadt mittel- und langfristig zum Positiven zu verändern. Weniger Leerstände, mehr Raum für das, was sich die Einwohner wünschen, lautet verkürzt das Ziel. Lambertz: "Wir können noch vieles verändern und verbessern. Die Aufgaben, denke ich, haben wir erkannt."
Provokant ist die Frage, die Moderator Peter Burger, gleich zum Einstieg in die Diskussion ans Oberhaupt der Cochemer-Zeller Kreisstadt richtet. Mindestens so provokant wie der FAZ-Artikel aus dem August, auf den der stellvertretende Chefredakteur unserer Zeitung die Frage bezieht. Mit seinen Reiseeindrücken unter dem Titel "Der Schönheit wohnt der Schrecken inne" hatte Reisejournalist Jakob Strobel y Serra viel Staub aufgewirbelt. Ein Welle der Empörung schwappte durchs Moseltal (die RZ berichtete).
Diesen Impuls nutzen die acht Disputanten, um eine Generaldebatte zu führen. Ist die touristische Ausrichtung in Cochem und an der Mittelmosel völlig veraltet oder auf Höhe der Zeit? Der Wein ungenießbar oder von Weltklasse? Besteht der Einzelhandel aus Souvenirsünden und 1-Euro-Ramsch? Einfache Antworten auf diese Fragen gibt es auch an diesem Abend nicht, aber eine meist muntere Diskussion, nicht zuletzt dank rund 100 Zuhörern, aus deren Reihen etliche kluge Fragen kommen.
Zeit der Keglerhorden ist passé
Der Weinbau an der Mosel "hat sich so weiterentwickelt, dass wir wieder dahinkommen, die Nummer eins zu sein", ist sich Weinbaupräsident Rolf Haxel sicher. Dazu tragen viele, nicht zuletzt junge Winzer bei, die auf Qualität achten. Initiativen wie die Dachmarke Mosel oder Terroir Moselle lassen die Menschen am Fluss zusammenrücken. Den Tourismus prägen mehrheitlich längst nicht mehr trinksüchtige Keglerhorden, die wochenends an den Bahnsteigen entlang der Mosel besoffen aus dem Zug fallen. So sei es in den 60ern und 70ern zum Beispiel in Winningen noch gewesen, erinnert Ortstouristiker Frank Hoffbauer. Jetzt kämen viele Aktivurlauber, die sowohl die landschaftlichen Reize goutierten als auch die kulturellen sowie jene aus Küche und Keller.
Sein Kollege Achim Schloemer (Rheinland-Pfalz-Tourismus) ergänzt, die Mosel stecke "in einem Imagewandel", der einem klar ausgearbeiteten Qualitätskonzept folge. Den Erfolg dieses Konzepts zeige das Beispiel Winningen gut. "Es ist gut, dass die Mosel eine Qualitätsstrategie fährt und diese Qualitätsstrategie braucht Zeit." Also doch alles auf dem richtigen Weg, "es hat nur noch nicht jeder kapiert", so Burger?
Auch die Zuhörerschaft schreitet ein: Nicht nur, aber vor allem in Cochem seien sie doch nicht zu übersehen, die Unterkünfte mit dem modrigen Charme der 70er, die auf Schildern damit werben, ein WC sowie fließendes Wasser kalter und warmer Ausprägung zu haben. Stimmt, aber, wendet Schloemer ein: "Die vielen Qualitätsbetriebe, die müssen wir nach vorne schieben, die ziehen die anderen dann hinterher." Eine junge Dame aus dem Publikum, Betreiberin eines Ferienweinguts in Ellenz, führt diesen Gedanken mit einiger Konsequenz fort: "Diese 70er-Jahre-Welten wird es geben. Aber die sterben irgendwann von allein aus."
Fehlt Cochem klare Leitkultur?
Doch ereilt dieses Dinosaurierschicksal auch die Schnitzelparadiese und Kitschkaufhäuser für Touristen, die einfach schlecht wegzudiskutieren sind? Erst einmal wohl nicht, da ist Gastronom Dieter Johann ehrlich. Doch es gebe ebenfalls etliche Qualitätsrestaurants, in denen auch das Personal "gut bezahlt" werde. Trotzdem "würde ich mir gerade hier in Cochem eine klarere touristische Leitkultur wünschen", hält Johann fest. Und für Einzelhändler Heiko Mades ist klar: "Am Ende bleiben nur die Geschäfte, die auch rentabel sind." Aus seiner Sicht gilt für die anspruchsvolleren Fachgeschäfte, die es gibt: "Die Zahl der Gäste, die nach Cochem kommen, entscheidet über den Erfolg des Einzelhandels."
Für Stadtchef Lambertz lässt sich nicht leugnen: "Wir haben Probleme." Doch man arbeite eben auch seriös an deren Lösung: an Gebäudestrukturen, die moderne Geschäfte und Gastrobetriebe ermöglichten, an mehr Raum für Fahr- und Motorräder, an Radwegen, die mehr Platz und Sicherheit garantierten. Lambertz: "Das größte Kapital unserer Region sind die Menschen." Die hätten viele gute Ideen und gingen sie beherzt an. Ein Beispiel dafür ist zuletzt etwa die Livemusiknacht "Enderttainment" gewesen. Auf die letzte Provokation des Abends - eine Frage, für deren Beantwortung hellseherische Fähigkeit nötig sind - antworten alle Diskussionsteilnehmer ähnlich optimistisch wie Rolf Haxel. Wo steht die Mosel in zehn Jahren? "Ich denke, wir werden mit unserem Weinbaugebiet Mosel wieder die Nummer eins sein in Deutschland." Von David Ditzer