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"Rheingold" überm Rhein: Opernchor singt Wagner in der Seilbahn

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Koblenz - Und plötzlich wird losgeschmettert: Zum 200. Geburtstag von Richard Wagner haben Mitglieder des Opernchors des Koblenzer Theaters Stücke des Meisters in der Seilbahn gesungen - sehr zur Überraschung und meist zur Freude der mitgondelnden Gäste.

Dem Paar dort an der Scheibe schenken die vier älteren Herrschaften kaum Aufmerksamkeit, den zugeklappten grauen Mappen in ihren Händen noch viel weniger. Dafür ist die Fahrt mit der Seilbahn viel zu aufregend, der Blick auf den Rhein hinab einfach zu spektakulär, selbst an solch einem grauen Tag, wie dieser 22. Mai nun einmal leider einer ist.

 

 

Man plaudert und scherzt, die Gondel schwankt leicht im Wind. Das Paar an der Scheibe nickt sich zu, beide schlagen die grauen Notenmappen auf, atmen ein und: singen. Sie, Michèle Silvestrini, im hellen Sopran, begleitet von Tenor Sebastian Haake. Ihre Stimmen füllen die Kabine aus, sie ist ein gläsernes Gehäuse voller Klang.

Die beiden singen die Waldvogel-Szene aus der Wagner-Oper „Siegfried", das kommt unerwartet für die vier anderen Fahrgäste. Ihre Gespräche verstummen, das Schoßhündchen erstarrt, perplex schaut die Gesellschaft auf die Sänger. Überraschung geglückt.

Solche Momente der Erstaunens und des Erfreuens hat sich das Theater Koblenz erhofft, als es sich kurzfristig an der über das Internet verbreiteten Aktion „Sing Wagner in the street" beteiligt hat: Zum 200. Geburtstag des Komponisten sollten überall in Deutschland Wagner-Lieder an öffentlichen Plätzen gesungen werden, das Theater Koblenz hatte sich für die Seilbahn entschieden, die die Aktion unterstützt.

Und so gondeln am Geburtstag Richard Wagners ihm zu Ehren neun Mitglieder des Opernchores eine Stunde lang über den Rhein. Zu zweit oder allein singen sie in den Kabinen, geben Miniaturkonzerte hoch über dem Fluss und sammeln sich an Tal- und Bergstation jeweils für ein kurzes Chorstück.

Während die Sopranistin Silvestrini und Tenor Haake ihre Mitfahrer auf der Tour von der Festung hinab ziemlich überrascht haben, schmettern Natascha Meißner und Christiaan Snyman auf dem Weg hinauf Auszüge aus der Szene Erdas und Wotans aus Wagners „Rheingold" vor Fans.

Inge Wermann aus Koblenz beispielsweise will an diesem Morgen alle Wagner-Fahrten über den Rhein mitmachen, ist extra deshalb hergekommen.  „Das ist eine so tolle Aktion, die macht richtig Spaß", sagt sie begeistert, als an der Bergstation langsam die Türen der Kabine zur Seite gleiten. Lächelnd verlassen Meißner und Snyman die Gondel – auf solch einer Bühne, hoch über dem Rhein schwebend Wagner zu singen, begeistert die beiden ebenso wie die anderen Chorkollegen.

„Das ist inspirierend – und dann singen wir obendrein noch aus dem ,Rheingold'", sagt Meißner und lacht. Nur das leichte Schwanken der Gondel, das sei dann doch sehr ungewohnt beim Singen.

Welche Wagner-Partien sie vortragen, hatten sich die neun Mitglieder des Opernchores selbst ausgesucht und sie über das Wochenende einstudiert. Für die kurzen Choreinlagen hatten sie sich am Morgen kurz vor Beginn mit Dirigent Karsten Huschke eingeprobt, der die Sänger auch an den Bahnstationen leitet.Wichtigstes Auswahlkriterium für die Lieder dieses Morgens: Kurz müssen sie sein, die für die Seilbahn bestimmten nicht länger als knapp vier Minuten, eben so lang, wie eine Fahrt dauert.

Dirk Eicher, der den David aus den „Meistersängern" auf dem Weg von der Festung hinab gibt, erklärt die Länge seiner Partie schön plastisch: „Sie dauert vom oberen Stützpfeiler bis zum letzten an der Talstation. Das passt so gut, als ob Wagner sie extra für eine Seilbahnfahrt über den Rhein geschrieben hätte", sagt er und grinst. Dem ist natürlich nicht so. Aber den Meister hätte die Ansicht des Rheins von oben sicherlich erfreut – und inspiriert.

Von unserer Redakteurin Anke Hoffmann


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