Die Botschaft der Linken wollten dennoch nur wenige hören. Und das, obwohl mit Klaus Ernst ein Mann aus dem Spitzenteam angereist war, der für einen hohen Unterhaltungswert steht.
Es "merkelt" bereits seit acht Jahren. Aus Sicht der Linken ist das genug. Das betonte die Direktkandidatin für den Koblenzer Wahlkreis schon beim Auftakt. Bettina Lau kritisierte, dass alle Parteien gebetsmühlenartig predigten, wie gut es den Deutschen gehe. Genau das Gegenteil sei der Fall, sagte die Kandidatin unter Hinweis auf die 7 Millionen Niedriglöhner. Ihr weiteres Argument: 1,5 Millionen Vollzeitstellen seien in 3 Millionen geringfügige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt worden. Ergebnis: Das Armutsrisiko sei für viele Bürgern dramatisch gestiegen. Allein in den neuen Bundesländern seien 3,2 Millionen Menschen akut bedroht.
Diese Zahlen waren eine Steilvorlage für Klaus Ernst, der als Spitzenkandidat der bayerischen Linken antreten wird und klar durchblicken ließ, warum er nach 30 Jahren Mitgliedschaft sein SPD- Parteibuch zurückgegeben hat. Der Politiker macht die frühere rot-grüne Koalition als Verursacher der Schieflage im Land aus, die von der derzeitigen Regierung noch verschärft werde. Klaus Ernst rechnete vor: Trotz der jüngsten Krise sei das Bruttoinlandsprodukt von 2000 bis 2012 um 14 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum seien die Löhne um 2 Prozent gesunken. Noch schlimmer sei die Situation bei den Renten, die heute rund 20 Prozent (im Osten 25 Prozent) schlechter ausfielen als noch vor zwölf Jahren. Der Politiker kritisierte, dass die Lohnentwicklung von der Steigerung der Produktivität abgekoppelt wurde. Mit der demografischen Entwicklung und mit der von der Kanzlerin oft beschworenen Formel "Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt" hat die aktuelle Lage aus Sicht des Politikers nichts zu tun.
"Wo ist die Kohle hin, die in diesem Land erwirtschaftet wurde?", fragte Klaus Ernst und lieferte die Antwort gleich mit: Internationale Konzerne und die Finanzindustrie haben die Hälfte des Kuchens genommen, bevor es ans Verteilen ging. Der Spitzenkandidat rechnete weiter vor: Durch Gesetzesänderungen von Rot-Grün und Schwarz-Gelb werde ein Einkommensmillionär um jährlich 100 000 Euro entlastet, während der Anteil der breiten Masse am Gesamtvermögen gesunken sei. Klaus Ernst hob hervor: Gehörten noch vor wenigen Jahren den "unteren" 50 Prozent noch vier Prozent des Gesamtvermögens, seien es heute nur noch 2 Prozent. Aus Sicht der Linken ist das ein Erosionsprozess, der dazu beitragen wird, die Altersarmut zu erhöhen, zumal die Rentenreformen bislang nur Rentenkürzungen gewesen seien. Fakt ist: Der Anteil der Generation Ü 64 in sozialversicherungspflichtigen Stellen ist sehr gering. Die Linke fordert deshalb eine Senkung des Rentenalters, was sie mit einer moderaten Erhöhung der Beiträge gegenfinanzieren will. Aus Sicht der Partei gilt: Alle sollen in die Sozialversicherung einzahlen - auch Politiker.
Reinhard Kallenbach