Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts und der Kassenärztlichen Vereinigung sind nur 18 Prozent der 11 Monate alten Kindern mindestens einmal geimpft. Auch die Quote von 77 Prozent bei den 14 Monate alten Kindern sei zu gering. In Koblenz und dem Kreis MYK sieht es zumindest bei den angehenden Grundschülern besser aus: 93 Prozent haben einen vollständigen Impfschutz. Insgesamt 2683 Abc-Schützen sind für das eben begonnene Schuljahr 2013/2014 untersucht worden. 97 Prozent haben zumindest eine Impfung gegen Masern, nur knapp 3 Prozent sind gar nicht gegen Masern geimpft. Für Wolfgang Dötsch, Referatsleiter Infektionsschutz des Gesundheitsamtes, das Stadt und Landkreis betreut, ist das "ein sehr guter Wert".
Dass dennoch Vorsicht geboten ist, meint Dr. Thomas Nüßlein. Der Chefarzt der Kinderklinik des Gemeinschaftsklinikums Koblenz-Mayen hält 3 Prozent Ungeimpfter durchaus für ein Risiko: "Es reicht ein einzelner Patient, um in einer Kindergartengruppe oder einer Schulklasse viele anzustecken", warnt der Mediziner. Gerade sehr kleine Kinder, deren Mütter aufgrund ihrer eigenen Impfung wenig Abwehrstoffe weitergegeben haben, seien gefährdet: "Früher hatten die Frauen Masern durchgemacht und ihre Kinder im ersten Lebensjahr einen Nestschutz, der heute fehlt." Empfohlen wird daher die Standardimpfung gegen Masern, Mumps und Röteln im Alter von elf Monaten. Um Lücken zu schließen, falls sich nach der Impfung keine Abwehrstoffe gebildet haben sollten, ist eine zeitnahe zweite Impfung spätestens vor dem zweiten Geburtstag notwendig.
Aber auch immer mehr junge Erwachsene weisen überhaupt keine Masern-Immunität auf. "Bei den Jüngsten genauso wie bei Älteren verläuft die Krankheit aber schwerwiegender", berichtet Nüßlein. Am meisten gefürchtet ist die Enzephalitis, eine Entzündung des Gehirns, die bei 10 bis 20 Prozent der Erkrankten tödlich endet. "Zudem können fatale Folgen wie bleibende Hirnschäden entstehen", warnt Dr. Klemens Ellebrecht. Der Obmann des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte vertritt rund 70 Kinder- und Jugendärzte in Koblenz, Mayen, Neuwied und Bad Kreuznach. Noch immer hörten viele Eltern auf nicht ärztliche Beratung: "Es ist modern, alternativ zu sein, aber Kinder, die in eine Gemeinschaftseinrichtung gehen, sollten geimpft sein", meint der Koblenzer Arzt.
Denn tatsächlich seien die Nebenwirkungen der Masernimpfung harmlos. Die Erkrankung werde in abgeschwächter Form durchgemacht, Fieber und Hauterscheinungen könnten auftreten, aber keine ernsten Komplikationen wie Lungen- oder eben Hirnentzündung. Im Gesundheitsamt, dem Impfschäden gemeldet werden müssen, sind seit 20 Jahren keine derartigen Fälle bekannt geworden. Selbst Allergiker können geimpft werden. "Zwar wird der Impfstoff aus Zellen, die von Hühnereiern abstammen, erzeugt, aber auch mit einer Hühnereiweißallergie ist eine Masernimpfung möglich, notfalls unter Beobachtung in der Klinik", erklärt Thomas Nüßlein.
Die hohe Mobilität, aber auch der Zuzug von Menschen aus Gebieten, in denen nicht geimpft wird, erhöhen zusätzlich die Risiken. Klemens Ellebrecht hält eine Impfquote von 97 Prozent für wünschenswert, um dem Ziel, Masern weltweit zu eliminieren, näherzukommen. "Die Bemühungen der Kinder- und Jugendärzte zeigen Erfolg, aber die Durchimpfungsrate muss noch erhöht werden."
Katharina Demleitner