Viele Fremdwörter, dazu reichlich Phrasen und etliche Floskeln beherrschten eine Veranstaltung in der Geschäftsstelle des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SkF).
Dorthin hatte der Betreuungsverein des SkF Menschen mit einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung als Zuhörer eingeladen - und als Redner Abgesandte der politischen Gruppierungen aus der Rhein-Mosel-Stadt, die sich mit einem Direktkandidaten für ein Bundestagsmandat bewerben. Für SPD, FDP, die Bundesvereinigung Freie Wähler und für die Linke waren mit Detlev Pilger, Martin Kaschny, Stephan Wefelscheid und Bettina Lau die Direktkandidaten persönlich erschienen. Die CDU hatte Stadtratsmitglied Peter Balmes entsandt, die Grünen waren mit Volker Krebs vertreten, die Piraten mit Marie Salm.
15 Minuten Zeit hatte jeder der Redner, um für seine Partei Werbung zu machen. "Das war natürlich rein vom Zeitfaktor schon einmal eine riesige Herausforderung", resümierte SkF-Geschäftsführerin Daniela Veith im Anschluss an den Vortragsabend. Die noch größere Herausforderung war es aber wohl, nicht ins politische Fachvokabular zu verfallen. Dies gelang wenigstens ansatzweise nur den beiden Damen in der Politikerrunde sowie SPD-Mann Detlev Pilger. "Allerdings haben Frau Lau und Frau Salm von einem Skript abgelesen. Frei zu reden wäre für meinen Geschmack besser gewesen", stellte Veith fest, die den Abend in der Gesamtschau dennoch als Erfolg wertet. Warum dies? "Weil wir bei den Politikern das Bewusstsein geweckt haben, sich intensiver mit dem Thema Inklusion auf Wahlkampfebene zu befassen", erklärt Veith - und fügt hinzu: "Bei der anschließenden Diskussion mit den Leuten wurde doch einigen Politikern klar, dass sie sich viel einfacher ausdrücken müssen. Und einigen ist das in der Diskussion dann auch besser gelungen." Deswegen soll es nach dem Wunsch von Einladenden und Eingeladenen auch eine Fortsetzung geben. "Denkbar wäre zum Beispiel eine politische Diskussionsveranstaltung in einer Behindertenwerkstatt", sagt Veith.
Im zweiten Anlauf hat dann vielleicht auch FDP-Mann Martin Kaschny die Chance, es sprachlich besser zu machen. "Eurobonds sind die Angriffsfläche für die nächste Finanzkrise" referierte der Hochschullehrer. Oder: "Die FDP ist gegen das Gouvernantentum des Staates." Gleich zweimal mahnte Daniela Veith an, Kaschny solle doch eine leichtere Sprache verwenden - allerdings ohne Erfolg. Begriffe wie "monopolistischer Staats-Moloch" und "Hedgefonds" fielen. "Damit haben sicher nicht nur Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung Verständnisschwierigkeiten", so Daniela Veith.
Ein Raunen ging derweil durch den Saal, als Kaschny sich ein Wortgefecht mit Detlev Pilger (SPD) lieferte. Als der FDP-Mann den von der SPD geforderten Mindestlohn kritisierte, meinte Pilger: "Das erzählen Sie dann mal einer Friseurin, die für 3,50 Euro die Stunde arbeitet." Kaschnys Antwort: "Es gibt ja Trinkgeld. Und wenn das jeder so zahlt wie ich, dann ist die Frau gut versorgt."
Wegzukommen von der Politiker-Fachsprache: Das gelang auch Stephan Wefelscheid kaum. Die "Kommunen bluten finanziell aus", ließ er die Anwesenden wissen, und dass das für die Mitglieder der "Haushaltsstrukturkommission" ein leidiges Thema sei. Dann prangerte Wefelscheid noch die "überfrachtende Gesetzgebung" an und meinte: "Die Finanzströme müssen neu organisiert werden."
Wie Peter Balmes (CDU) verfehlte Wefelscheid den ihm gestellten Auftrag damit. Balmes hatte den Vortragsreigen unter anderem mit Ausführungen über die "Nettoneuverschuldung" und der Forderung, "die Chancen der Digitalisierung zu nutzen", eröffnet.
Etwas besser machte es Detlev Pilger. 25 Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland gelten als schwierig, weil der Lohn kaum zum Leben reicht, erklärte der Sozialdemokrat, der diese Zahl recht anschaulich verdeutlichte: "Das ist jeder vierte Arbeitsplatz, das bedeutet, jeder vierte Mensch hier im Raum wäre betroffen."
Volker Krebs von der Grünen gelangen solche Vergleiche wiederum weniger gut. Einspeisegesetz, erneuerbare Energien, Legislaturperiode: Mit diesen Vokabeln dürfte auch er seine Zuhörer nicht immer erreicht haben.
Annette Hoppen