Koblenz - Skandal im Koblenzer Bürgeramt: Er war einer der dienstältesten Angestellten der Koblenzer Stadtverwaltung. Er nahm Anträge für Reisepässe entgegen, beglaubigte Zeugniskopien, erteilte Meldebescheinigungen. Er galt als zuverlässig, drei Jahrzehnte lang. Doch jetzt ist alles anders. Der 63-Jährige hat vor dem Amtsgericht Koblenz gestanden, dass er seit 2008 für das Ausstellen von Anwohnerparkausweisen insgesamt 16.400 Euro Gebühren kassierte - und in die eigene Tasche steckte. Er sei da hineingeschlittert, habe dann nicht mehr damit aufhören können. "Und es war ja keiner da, der mich gestoppt hat."
Richter Wolfgang Pitz hat den Mann wegen Untreue in 267 Fällen zu neun Monaten Bewährungsstrafe verurteilt. Die Staatsanwältin hatte zwölf Monate gefordert, der Verteidiger eine Geldstrafe unter Vorbehalt.
Was machte der Verwaltungsangestellte mit dem ergaunerten Geld? "Ich habe alles ausgegeben, nichts gespart", erklärte er dem Richter. Auch an Spielautomaten habe er Geld verzockt. "So schnell wie es in mein Portemonnaie kam, ging es auch wieder raus." Die Machenschaften des Mannes flogen im Februar auf. Er ist seither arbeitslos, erhält 1200 Euro Arbeitslosengeld, 60 Prozent seines letzten Nettogehalts. Er löste sein Sparkonto auf und ersetzte der Stadt den Schaden.
Der 63-Jährige trat seinen Dienst 1981 an - vor gut drei Jahrzehnten, als Helmut Schmidt Bundeskanzler war, Deutschland noch ein geteiltes Land. Seither ließ er sich nie etwas Schwerwiegendes zuschulden kommen. Er ist nicht vorbestraft.
Doch seit 2008 begann er, seinen Beruf zu missbrauchen, um sich zu bereichern. In Koblenz gibt es 22 Parkzonen - wer dort parken will, ohne ein Knöllchen zu riskieren, muss beim Bürgeramt für 61,40 Euro einen Parkausweis kaufen und sichtbar im Auto deponieren. Rund 4500 Koblenzer tun dies jedes Jahr, 267 von ihnen wurden im Prozess namentlich genannt. Ihre Gebühren hatte der 63-Jährige für sich verwendet.
Wie es dazu kam, schilderte er im Prozess so: Er saß eines Tages am Schalter im Bürgeramt in der Gymnasialstraße und stellte jemandem einen Parkausweis aus. Der bezahlte in bar, wollte aber keine Quittung. Und der 63-Jährige beschloss, das Geld zu behalten. Das ging einmal gut, dann immer wieder. Mal mehrfach am Tag, mal einmal die Woche. "Manchmal saß ich abends im Bus nach Hause und sagte mir, morgen buchst du das Geld nach. Aber ich hatte einfach nicht die Kraft dazu." Der 63-Jährige machte das Bürgeramt zu seinem Selbstbedienungsladen - dort bemerkte das aber fünf Jahre lang niemand. Erst Anfang 2013, als das Amt ein neues Computerprogramm einführte, fiel auf, dass der Mann unzählige Parkausweise ausgab, ohne die Gebühr zu verbuchen.
Hat das Bürgeramt seit dem Vorfall die Kontrollen seiner Mitarbeiter verschärft? "Nein", sagt der Sprecher der Stadt Koblenz, Thomas Knaak. "Eine lückenlose Überwachung ist kaum denkbar und wohl nicht praktikabel." Aber bei einem Verdacht auf Untreue werden interne Ermittlungen eingeleitet.
Der 63-Jährige beteuerte vor Gericht: "Mir tut sehr leid, was passiert ist." Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Hartmut Wagner