Koblenz - Mit wem bin ich verwandt, was machten meine Vorfahren? Solche Fragen beschäftigen viele Menschen.
Um den eigenen Wurzeln auf die Spur zu kommen, braucht es Fachliteratur. Eine Sammlung der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde lagert seit Kurzem in Koblenz.
Vorsichtig zieht Lars Jendral ein vergilbtes Buch aus einem Regal. Der Ledereinband ist abgegriffen, "Die Hoheit des Teutschen Reichs-Adels" steht darauf. Es stammt aus dem Jahr 1729. Das kostbare Stück ist Teil der genealogischen Fachbibliothek der Westdeutschen Gesellschaft für Familienkunde. Die ist seit Kurzem in der Rheinischen Landesbibliothek in Koblenz untergebracht, die Jendral leitet. Etwa 15 000 Bände rund um das Thema Familienkunde wurden von Schloss Augustusburg im nordrhein-westfälischen Brühl, dem früheren Domizil der Sammlung, in den Zweckbau neben dem Koblenzer Hauptbahnhof geschafft.
In Brühl waren die Bücher gemeinsam mit dem Personenstandsarchiv des Landes Nordrhein-Westfalen untergebracht, das unter anderem Kirchenbücher und Amtsregister umfasst. Dieses Archiv zieht nach Duisburg um, und dort wären die Monografien der Gesellschaft für Familienkunde nicht mehr ausleihbar gewesen, wie der Vorsitzende Volker Thorey erklärt. "Die Bücher sollte man aber in Ruhe lesen können." Also fragte die Gesellschaft Institutionen in der Region, ob sie die Bücher aufnehmen können. "Die Ausbeute war nicht gewaltig, die meisten haben keinen Platz", sagt Thorey. Außer Koblenz.
"Wir sind eine der wenigen Bibliotheken mit Platz", bestätigt auch Leiter Jendral. Die Sammlung werde hier an die Fernleihe angeschlossen und damit für Interessierte wesentlich leichter zugänglich. Und noch etwas sprach laut Jendral für Koblenz. Hier ist das rheinland-pfälzische Personenstandsarchiv, wie sein Pendant aus dem nördlichen Nachbarland eine Sammlung personenbezogener Daten mit Registern aus dem gesamten Land. Das ergänze sich gut, sagt Jendral. All das sei für Familienforscher wertvolles Gut.
Schon im Juli 2013 trafen die ersten Stücke aus Brühl in Koblenz ein. Eines von ihnen heißt "Die Einwohner von Saarwellingen vor 1897", eines "Lauterbach in Hessen", ein anderes "Wappen und Genealogien Dürener Familien". Ein Stück weiter steht ein Adressbuch Kölns von 1915. Auch Handschriften und Abschriften von Trauregistern sind darunter. "Da sind Unikate dabei", schwärmt Thorey. Ein Werk des berühmten Genealogen Anton Fahne etwa sei von einer Privatperson um handschriftliche Berichtigungen ergänzt worden. "So ein Buch hat natürlich einen ganz besonderen Wert."
Für die Landesbibliothek mit ihren insgesamt rund 650 000 Medienobjekten bedeutet der Umzug eine Menge Arbeit. "Es ist auch untypisches Bibliotheksgut dabei", sagt Barbara Koelges, in Koblenz für den Altbestand zuständig. Das lasse sich nicht ohne Weiteres in das bestehende System einsortieren. Gesammelt werden diese Stücke in einem eigenen Regal im geschlossenen Magazin. "Problemfälle" steht auf einem Zettel. Zu diesen Fällen zählt etwa ein Buch im Schuber, das aus eingeklebten Todesanzeigen besteht.
Fragt sich, wer solche Dinge nutzt. "Das sind im Wesentlichen Privatleute", erklärt Thorey, die ihre Familienhistorie beleuchteten. Es gebe aber auch Wissenschaftler, die sich beruflich damit befassten - etwa, wenn Gerichte nach einem Todesfall nach Erben suchten. "Oder es ist wichtig für Bevölkerungsstatistiken der Vergangenheit." So oder so, spannend sei Familienkunde allemal. "Wenn sie das einmal gemacht haben, ist das wie ein Virus", sagt Thorey. "Das werden sie nicht mehr los." Es gehe ja nicht nur um Zahlen, sondern man erfahre viel über geschichtliche Hintergründe, Lebensumstände vergangener Zeiten.
Bis Ende dieses Jahres sollen alle Neuzugänge in das System der Bibliothek eingearbeitet werden. Etwa 1400 Monografien sind im Katalog des Landesbibliothekszentrums schon bestellbar. "Wir erhoffen uns dadurch einen Kundenzuwachs", sagt Koelges. "Wir haben schon jetzt Familienforscher unter unseren Kunden." Denkbar seien auch Veranstaltungen drum herum wie etwa familienkundliche Vorträge, sagt Jendral. Der Umzug der Bücher habe auf jeden Fall schon interessierte Blicke auf Koblenz gerichtet. "Das wird in Fachkreisen wahrgenommen."
Christian Schultz/dpa