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Mehr als 3000 einmalige Gräber in Kobern-Gondorf entdeckt - Funde haben europäische Dimension

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Kobern-Gondorf - Schon immer bereicherten archäologische Funde aus Kobern-Gondorf Museen in aller Welt. In Fachkreisen wird die Bedeutung der Gemeinde sogar noch wachsen, wurde im Ortsteil Gondorf doch eines der bedeutendsten europäischen Gräberfelder entdeckt.

Von unserem Mitarbeiter Reinhard Kallenbach

Kobern-Gondorf - Schon immer bereicherten archäologische Funde aus Kobern-Gondorf Museen in aller Welt. In Fachkreisen wird die Bedeutung der Gemeinde sogar noch wachsen, wurde im Ortsteil Gondorf doch eines der bedeutendsten europäischen Gräberfelder entdeckt. Die Probe- und Sondierungsgrabungen wurden kürzlich abgeschlossen. Jetzt steht fest: Der gigantische Friedhof, dessen Geschichte bereits in keltischer Zeit beginnt, ist im Kulturraum nördlich der Alpen einzigartig.

Nach Angaben der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), unter deren Dach die Landesarchäologie angesiedelt ist, gehen die Wissenschaftler von deutlich mehr als 3000 Gräbern aus. Wie GDKE-Chef Thomas Metz auf Anfrag unserer Zeitung mitteilte, sei nicht geplant, den gigantischen Friedhof komplett zu untersuchen. Das würde Jahre dauern und immense Mittel erfordern. Dazu kommt, dass es ein Ziel der Wissenschaftler ist, archäologische Denkmäler möglichst an ihrem Fundort zu belassen. Denn dort sind archäologische Denkmäler am sichersten - gegraben wird in der Regel nur dort, wo Funde akut bedroht sind.

Für die Investoren, die in der Nähe von Schloss Liebieg einen Supermarkt errichten wollen, ist der aktuelle Sachstand grundsätzlich eine gute Nachricht. Sie können bauen, allerdings unter Auflagen. So dürften aufwendige Pfahlgründungen ausgeschlossen sein, weil diese die archäologischen Denkmäler zerstören könnten.

Dr. Dr. Axel von Berg geht von einem sehr guten Erhaltungszustand der Gräber aus, die sich zum Teil in mehreren Schichten übereinander befinden. "Mindestens 95 Prozent der Gesamtfläche wurden bislang nicht archäologisch untersucht. Wir wissen aber, dass die in Teilen vorhandene Altbebauung zur Römerstraße die im Untergrund erhaltenen Funde nach derzeitigem Kenntnisstand nur wenig gestört hat", sagt der Landesarchäologe über das geschichtsträchtige Areal, das sich zwischen Schloss Liebig und der heutigen Brücke erstreckt und zu den fundreichsten der Region Mittelrhein gehört. Diese Tatsache steht dafür, dass die frühen Siedlungen in Kobern-Gondorf ungewöhnlich reich waren. Dafür gibt es gute Gründe: An der Mosel gab es in der Antike eine rege Handelstätigkeit. Kobern-Gondorf war ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und hatte sogar einen Hafen. Wissenschaftler gehen auch von einem antiken Flussübergang oder sogar einer Brücke aus. Für diese Vermutung gibt es allerdings noch keine Belege.

Fest steht dagegen, dass die Blüte nach Anfängen in keltischer Zeit bereits in der frührömischen Phase einsetzte. Hier liegen die Wurzeln des ersten größeren Handels- und Handwerkerdorfs. Sicher ist auch, dass im Bereich des späteren großen Gräberfeldes im 1. Jahrhundert eine römische Prachtvilla errichtet wurde, die zum römischen Dorf - vicus genannt - gehörte und schon in antiken Quellen erwähnt wird. Es gibt aber auch greifbare Beweise. "Teile der antiken Gebäude wurden nahe dem Schlosspark und auch moselaufwärts im Bereich der heutigen Brückenrampe festgestellt", erklärt Axel von Berg, der auch darauf hinweist, dass die Räume des Großbaus mit reichen Wanddekorationen geschmückt waren. Außerdem gab es ein ausgeklügeltes Heizungssystem.

Die Villa ist deshalb so wichtig, weil sie eng mit der Geschichte des Gräberfeldes verbunden ist. Denn dort wurden wohl zunächst vor allem die Angehörigen des Gutshofes begraben. Das änderte sich im 3. Jahrhundert, als Siedlungsgebiete im Bereich der Villa aufgegeben wurden.

Dagegen bestand das Dorf weiter. Und die Bewohner nutzten das frührömische Gräberareal nun, um ihre Toten zu bestatten. Diese Tradition wurde bis weit ins 9. Jahrhundert hinein gepflegt. Diese lange Belegungsdauer macht das Gräberfeld so einzigartig. Spiegelt es nicht nur den Übergang von Spätantike zur Völkerwanderungszeit, sondern auch den Wandel von Glauben und Riten wider. Wurden die älteren Gräber mit reichen Beigaben ausgestattet, lässt diese Sitte im Laufe der Jahrhunderte nach. Aus dieser Entwicklung lässt sich zum Beispiel ablesen, wann sich das Christentum an der Untermosel durchsetzte.

Auch kann mithilfe der Gräber die Frage beantwortet werden, ob in der Region der Übergang von der Römer- zur Frankenzeit wirklich so friedlich war, wie es oft behauptet wird. Oder war der Assimilierungsprozess am Ende doch von Gewalt begleitet?

Die Geschichte der archäologischen Entdeckungen im Gemeindeteil Gondorf

Die jüngst abgeschlossenen Probegrabungen im Bereich zwischen Schloss Liebieg und der Moselbrücke haben eine lange Vorgeschichte. Denn der Gemeindeteil Gondorf ist mit archäologischen Denkmälern gespickt.

Erste Funde wurden 1818 im Bereich des Friedhofs entdeckt, weitere Funde wurden 1831 entlang der heutigen Römerstraße und schließlich auch 1870 beim Bau der Bahnlinie nahe dem Moselufer gemacht.

Weitere Fundbergungen folgen in den Jahren von 1884 bis 1890 durch die Baronin Angelika von Liebieg im Schlosspark und hangseitig zwischen Schlosskapelle und dem rückwärtigen Teil der Altbebauung. Dabei wurden nur wenige Gräber geöffnet.

Wissenschaftliche Grabungen nahm bereits 1932 das Landesmuseum Bonn vor. Eine weitere Grabung folgte 1977 - dieses Mal unter Regie der Landesarchäologie Koblenz. Dabei wurden Teile des Gräberfeldes im Bereich der Brückenrampe erfasst.

Wie das Koblenzer Amt auf Anfrage der RZ mitteilte, blieben beim Bau der nicht unterkellerten Poststelle unmittelbar an der Römerstraße etwa 100 Bestattungen der obersten Gräberschicht im Boden erhalten. Die Kosten der jüngst abgeschlossenen Probegrabungen auf dem sensiblen Areal übernahmen die Ortsgemeinde Kobern-Gondorf, die Stiftung Zukunft der Sparkasse Koblenz, die VG Untermosel und die Landesarchäologie Koblenz. ka


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